StadtRaumBoxen
Schon im Entree des KulturQuartiers Schauspielhaus begegnen Besucher:innen zeitgenössischer Kunst. In den drei ehemaligen Vitrinen des Schauspielhauses kuratieren seit 2016 Tely Büchner und Susanne Knorr wechselnde Ausstellungen. Sie laden Künstler:innen ein sich mit dem Areal, der Geschichte des Schauspielhauses, der Architektur und dem Stadtraum auseinanderzusetzen und temporäre Arbeiten für die drei StadtRaumBoxen zu schaffen. Als kleinster Ausstellungsraum Erfurts sind die „StadtRaumBoxen“ zugleich ein lebendiger Aktionsraum, der mit Passant:innen und Gästen immer wieder neu in Kommunikation tritt.
Gefördert vom Freistaat Thüringen, der Landeshauptstadt Erfurt und der Sparkasse Mittelthüringen.
StadtRaumBoxen # 28: Marcel Krummrich. FIAT LUX

Marcel Krummrich (*1971) absolvierte eine Ausbildung als Fotograf an der renommierten Ostkreuzschule Berlin. In seinen Projekten setzt sich der in Erfurt lebende Fotograf mit Geschichte, Geschichten, aber auch mit Phänomenen unserer Gesellschaft auseinander. Nicht selten verschränkt er aktuelle Beobachtungen mit kultur- bzw. kunsthistorischen Bezügen.
Für „FIAT LUX“, StadtRaumBoxen #28 hat Marcel Krummrich das Motiv des Blumenkranz- oder auch Girlandenbildes gewählt, um der Frage nachzugehen: „Woran glauben wir heute?“. Mit dem Verlust der Kirchen an Mitgliedern haben sich kontinuierlich alternative Formen, neue Trends entwickelt, die als Ersatzreligion beschrieben werden. Selbstoptimierung (mental, physisch) und Konsumbesessenheit bieten in vielerlei Hinsicht Raum für die Verortung der eigenen Sehnsüchte. Mit der Verwendung des Bibelzitats „FIAT LUX“ (dt.: es werde Licht), das zugleich der Name einer neureligiösen Bewegung ist, bietet der Ausstellungstitel einen wunderbar mehrdeutigen Kommentar. In seinem Studio hat Marcel Krummrich Stillleben inszeniert, die als Spiegelbild unserer aktuellen Gesellschaft gelesen werden können. Statt der Madonna, umkranzt von üppigen Blumengirlanden, wie sie auf Darstellungen seit dem 15. Jahrhundert, insbesondere aber seit dem Barock bekannt sind, treten andere Dinge, die heute als verehrungswürdig angesehen werden, von denen wir glauben, dass sie für unser Leben essenziell sind.
Die gegenstandsreichen, skurrilen Zusammenstellungen sind mit Wissen um Wirkung und Bedeutung der einzelnen „Fetische“, viel Lust und einem feinen Sinn für Humor arrangiert. Zwei Bände von Marx‘ „Kapital“ kombiniert er mit Pokémon-Karten, Labubus und Dubai Schokolade in ihrer roten Fruchthülle. Zugleich zeigen diese Inszenierungen die kunstgeschichtliche Zitierfreude des Künstlers.
Schon allein für den Spaß des Identifizierens der einzelnen Gegenstände auf den Fotografien lohnt ein Besuch unbedingt. Aber natürlich beeindrucken die drei „Boxen“ als Gesamtkomposition, die zudem Farbe dem jahreszeitlichen Himmelsgrau entgegensetzen.
Zu sehen ist die Ausstellung bis 11.01.2026.
StadtRaumBoxen # 27: Timo Behn. WEHE DEM, DER LÜGT.

Die StadtRaumBoxen #27 stehen unter dem Motto Fake News. Wobei die News von einer historischen Quelle ausgehen. Das Themenjahr Faust, das im benachbarten Weimar gebührend gefeiert wird, veranlasste Timo Behn (Rudolstadt), „seine“ Thüringer Klangwelt mit diesem Weltliteraturwerk zu verbinden. Unter dem Titel WEHE DEM, DER LÜGT. (Gretchen in Faust I) warten die nächsten StadtRaumBoxen mit einer Installation aus Klang, Text und Um-die-Ecke-Denken auf.
Der in Jena geborene Künstler Timo Behn studierte an der Akademie in Nürnberg. Wieder zurück in der thüringischen Heimat war es deren Klangwelt, die ihn interessierte. Auf das Landesstipendium bewarb er sich mit der Idee der künstlerischen Transformation des Klangs von Orgeln, Glocken (erinnert sei auch an den Glockenguss in Apolda), von Volksliedgut und einer Erinnerung an John Cage.
In den StadtRaumBoxen stehen die Glocken erneut im Fokus. Glocken haben traditionell verschiedene Funktionen: Sie rufen die Gemeinschaft zum Gebet, zur Besinnung, erinnern an die Toten, verdeutlichen Zeit akustisch oder warnen bei Katastrophen. Symbolisch erinnern sie an moralische Werte und warnen vor Unrecht.
So auch in Goethes „Faust“. Dort steht sie für moralische Ordnung und göttliche Wahrheit, für Wahrheit, Gerechtigkeit und Ehrlichkeit allgemein. Sie erklingt immer dann, wenn es darum geht, ehrlich zu sein und das Richtige zu tun.
In den StadtRaumBoxen findet das Glockenspiel zwischen zwei Liegestühlen statt. Das Glockenspiel erklingt zufällig, wird vom Wind gespielt. Diese zufällige Klangquelle kann als Metapher für die unkontrollierbare Verbreitung von Lügen und Fake News in unserer Gesellschaft verstanden werden. Genau wie das Glockenspiel unerwartet erklingt, können Lügen plötzlich und ohne Vorwarnung in unser Leben treten.
Das Zitat „Wehe dem, der lügt.“ hat Timo Behn Gretchen in den Mund gelegt. Wie eine Mahnung steht der Satz über den drei Boxen: Er mahnt zu Aufrichtigkeit und wird zur Drohung für den Fall der Unaufrichtigkeit. So wie die Glocke akustisch im Faust I zur Wahrheit mahnt (Gartenszene mit Faust und Gretchen), könnte Gretchen diesen Satz gesagt haben. Plausibel wäre es, denn auch sie fordert Ehrlichkeit ein. Dieser Satz wurde aber in Wirklichkeit nie von Gretchen so gesagt. Die Behauptung, dass sie ihn gesagt hat, ist schlicht eine Lüge. „Fake News“ – eine falsche Wiedergabe einer Information, die im Projekt bewusst eingesetzt wird, um auf die Gefährlichkeit der Verbreitung falscher Informationen aufmerksam zu machen.
Das vermeintliche Zitat befindet sich aufgedruckt auf beiden Liegestühlen, jeweils in Schwarz und in Weiß. Diese Farbwahl symbolisiert die Gegensätze von Lüge und Wahrheit. Und ist zugleich eine Überzeichnung, denn so schwarzweiß ist das Verhältnis von Wahrheit und Lüge selten. Das gemeinsame Zitat auf beiden Stühlen zeigt, wie nah Wahrheit und Lüge beieinanderliegen und, wie leicht man zwischen beiden wechseln kann.
StadtRaumBoxen # 26: Michael Göbel. TEXTSCHLEIFE (FRAGMENTE)

Mit den StadtRaumBoxen #26 können gespannt sein, auf die Arbeiten von Michael Göbel! Der in Kassel lebende Künstler arbeitet als Bildhauer. Zu seinem Œuvre gehören Installationen, Interventionen und Objekte weit entfernt vom klassischen Begriff der Skulptur. In ihnen beschäftigt er sich oft mit den unspektakulären Relikten unserer Kultur, nimmt verlassene Orte in den Fokus und hinterfragt damit das Verhältnis von Individualität und Gesellschaft. Dafür entwickelt er themenbezogenen Konzepte, arbeitet präzise und detailgenau; nichts überlässt er dem Zufall.
Dieser künstlerische Ansatz findet sich auch in seiner Arbeit für Erfurt. Die Auseinandersetzung mit einem verlassenen Ort, dem ehemaligen Schauspielhaus, das aktuell wieder zu einem lebendigen Kulturort aktiviert wird.
Michael Göbel nimmt Bezug auf die historische Funktion als Theater, aber zugleich auf das, was hier in naher Zukunft anzutreffen ist. Er nutzt – zwar nur als Konstruktionselement – Traversen, wie man sie zum Bühnenbau häufig einsetzt, und integriert sie in den „Bestand“. Ein langes Band, das zu einem Knäul verschlungen ist, windet sich durch die Boxen, verbindet sie. Formal betrachtet, erinnert es an das gefürchtete Chaos, das zu Zeiten, als Tonbänder und Magnetkassetten als Speichermedien dienten, entstand, wenn das Band nicht mehr richtig auf der Spule lag und sich verwickelte.
Das rote Band von Michael Göbel wird durch Text, der ihm eingeschnitten ist, zu einem Bedeutungsträger. Auszüge aus eigenen Aufzeichnungen von verschiedenen Projekten des Künstlers verweigern sich jedoch anders als beispielsweise bei lesbaren Spruchbändern in mittelalterlichen Darstellungen (die in einigen Fällen aus Gebetsmühlen kommen) aufgrund ihres fragmentarischen Charakters, der verworrenen Überlagerung und des Nichtkennens der Textauszüge der:des Betrachter:in der Lesbarkeit. Mit dem Rückgriff auf das besondere Textmaterial bekommt das Individuelle eine Bedeutung, das letztlich jedoch wieder stellvertretend für das Allgemeine stehen kann.
Dieses Band zieht sich wie ein Gedanke, wie ein roter Faden durch die Boxen und entwickelt einen skulpturalen Charakter, der der strengen Ordnung und dem Rhythmus der Kubatur der Vitrinen etwas Spielerisches entgegensetzt.
Vita
geboren 1973 in Niedersachsen
1995 – 2002 Studium Bildende Kunst bei Prof. Urs Lüthi, Kunsthochschule Kassel
seit 2024 Vorstandsmitglied im Kasseler Kunsttempel
2019 Lehrauftrag an der Universität Erfurt
2014 – 2016 Dozent für Bildende Kunst an der Kunsthochschule Kassel
2013 – 2024 Vorstandsmitglied im Kasseler Kunstverein
seit 2011 Mitglied im Kuratorenteam der Galerie COUCOU
seit 2007 Organisation und Kurator des Kasseler Atelierrundgangs
seit 2006 Organisation und Kurator diverser Kunstausstellungen (u.a.: 8. Kasseler Künstlerfest, 2006 | „Nopression“, Kasseler Kunstverein, 2014 | „Echos“, Museum für Sepulkralkultur, Kassel, 2016 | „Abandoned Stories“, Kasseler Kunstverein, 2021)
Preise und Auszeichnungen:
2022 4. Kunstpreis der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (besondere Anerkennung)
2021 Projektförderung der Stiftung Kunstfonds
2014 Auszeichnung für den Entwurf „In Erwartung“, Stadt Bad Wildungen (2. Preis)
2012 Kulturförderpreis der Stadt Kassel mit der Galerie Coucou
2010 Künstlerstipendium Willingshausen
2009 Kulturförderpreis der Stadt Kassel für den Kasseler Atelierrundgang
2009 Förderung durch die Dr. Wolfgang Zippelstiftung der Stadt Kassel
2007 Artist in residence, Gilfélagið, Akureyri, Island
2004 Förderung durch die Dr. Wolfgang Zippelstiftung der Stadt Kassel
1999 1. Leitz Innovation & Design Award, Esselte-Leitz Stuttgart (3. Preis)
Vielen Dank den Förderern:
Sparkasse Mittelthüringen, Landeshauptstadt Erfurt, Kulturstiftung des Freistaats Thüringen
und der Firma Ambion GmbH
StadtRaumBoxen # 25: Inken Reinert. SITZEN LASSEN

Für die 25. Ausstellung der StadtRaumBoxen hat Inken Reinert drei Konstellationen aus gefundenen gebrauchten Stühlen geschaffen.
Dabei nutzt die in Berlin lebende Künstlerin eine Arbeitsweise, die bereits viele ihrer vorangegangenen Projekte bestimmt: die Nutzung von Foundfootage. Das verwendete Material besitzt eine historische, politische, soziale und kulturelle Konnotation und damit Erinnerungen, die ihm eingeschrieben sind. Durch die Wiederverwendung spürt sie diesen einerseits nach, rückt die Erinnerungen beziehungsweise die mit ihnen verbundenen politischen und gesellschaftliche Informationen erneut ins Bewusstsein. Andererseits findet durch die neue Kontextualisierung eine Umwertung der Bedeutung dieser Objekte und Materialien statt. Inken Reinert eröffnet nicht nur neue Perspektiven auf das Gefundene, sondern setzt es mit dem Ort der jeweiligen Installation in Beziehung, sodass zugleich der Einfluss von Architektur und Design auf den öffentlichen Raum allgemein befragt wird.
Thematisch stehen häufig Verschiebungen in Wertesystemen und Prozesse der Verdrängung in ihrem Fokus, wie sie zum Beispiel nach dem Zusammenbruch des Sozialismus als Gesellschaftsform der Fall waren. In raumgreifenden Installationen dekonstruiert sie das Material und reagiert mit den neuen Arrangements auf Architektur und Situationen im öffentlichen wie privaten Raum. Dabei werden von ihr Leerstellen, Brachen, Orte des Wandels, des Ephemeren nach ihrer Geschichte und ihren Potentialen befragt und diese Lücken gleichsam symbolisch wie wortwörtlich (wieder) gefüllt.
Für die StadtRaumBoxen hat Inken Reinert aus ausrangierten Stühlen, die zum großen Teil noch aus DDR-Produktion stammen, drei „Konstellationen“ in den Vitrinen zusammengestellt. Die Stühle hat sie über Ebay Kleinanzeigen gefunden und einige im Fundus des KulturQuartiers. Allen Stühlen ist gemeinsam, dass sie gelagert beziehungsweise abgestellt waren, also länger nicht mehr für ihren eigentlichen Zweck, dem Sitzen, benutzt wurden. Zudem verbindet diese Sitzmöbel, dass sie eher im Kontext von Veranstaltungen oder der Gastronomie verwendet wurden.
Der Begriff des Sitzens – der auch Teil des Ausstellungstitels geworden ist – eröffnet selbst ein großes Assoziationsfeld, das von ganz privat (er/sie/es wurde sitzengelassen, Sitzlandschaft) bis öffentlich/offiziell (an einer Sitzung teilnehmen, den Vorsitz haben, Amtssitz) und all seinen Bedeutungen dazwischen (sitzenbleiben oder nachsitzen in der Schule, Probleme aussitzen, seine/ihre Zeit absitzen, Besitz ergreifen) reicht, das aber auch neutrale Bedeutungen (sitzen, Sitzgelegenheit) oder politische und ganz aktuelle Konnotationen haben kann (Wohnsitz, Sitzblockade, Sitzverteilung).
Wie auch ihre anderen Arbeiten kann „Sitzen lassen“ als Kommentar und Analyse verstanden werden. Die Arbeit besitzt aber zugleich eine starke poetische Kraft: Eine mögliche systematische Struktur wird aufgehoben in einer multiplen Anordnung, die sich als komplexes Beziehungsgeflecht ohne Anfang und Ende im und aus den Rahmen der StadtRaumBoxen heraus entwickelt. Letztlich ist die Arbeit eine Reflektion über Utopie, Realität und individuellem Lebensentwurf.
Vita
seit 2002 Gründungsmitglied des Damensalon, Berlin www.damensalon.net
2000/2001 Meisterschülerin bei Werner Liebmann, Kunsthochschule Berlin-Weißensee
1999/2000 Arbeitsaufenthalt in Chile
1997 Institute of Printing, London
1993–1999 Studium der Malerei, Kunsthochschule Berlin-Weißensee (Diplom)
Stipendien, Preise, Förderungen
2020 Arbeitsstipendium der Kulturstiftung des Freistaates Thüringen
2020 Realisierung des Projektes Quer durchs Viertel, Wettbewerb Kunst im öffentlichen Raum II. Bauabschnitt der Karl Marx Allee, Berlin
2019/20 Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds – Corona Neustart
2019 Katalogförderung des Berliner Senats
2018 Katalogförderung der Stiftung Kunstfonds Bonn
2011 Förderung Projektfonds Kulturelle Bildung
2009 Projektförderung des Berlin Senats für Homestories II
2008 Projektförderung des Berliner Senats für Homestories I
2007 Stiftung Kunstfonds, Bonn
2004 Goldrausch Künstlerinnenprojekt artIT
2001 Stiftung Kulturfonds, 2001 Werkvertrag der sozialen Künstlerförderung, Berlin
2000 Heinrich-Böll-Stiftung,
1997 Erasmus-Stipendium, London, UK
1993 Max-Leugher-Preis, Förderpreisträgerin
StadtRaumBoxen # 24: UFK Benedikt Braun. NACH DEM DRITTEN REICHTS

In etwas weniger als einem Monat wird ein neuer Landtag in Thüringen gewählt.
Benedikt Braun, der seine Kunst selbst als Ultrafreie Kunst (UFK) bezeichnet, ist mit seinen zumeist provokativen Arbeiten zu Fragen sozialer Un/Gerechtigkeit, den prekären Lebensverhältnissen von Künstler:innen, Kapitalismuskritik in all seinen Facetten weit über Thüringen hinaus bekannt.
Wirklich zu provozieren, fällt heute in der Kunstwelt nicht leicht. Wir als Rezipient:innen sind schon einiges gewohnt. Wann stellen wir uns heute noch Fragen wie: Darf man das überhaupt? Wird hier nicht eine Grenze überschritten? Bei Benedikt Braun sind die Anspielungen selten subtil, seine Provokation trifft uns direkt. So auch bei diesem Projekt, das er bereits seit einigen Jahren immer wieder in verschiedenen Formen in der Öffentlichkeit präsentiert.
Die StadtRaumBoxen #24 zeigen schwarzes Mesh-Gewebe bedruckt mit weißer Frakturschrift und roter Unterstreichung der Aussage „nach dem Dritten Reichts“. Gemeint ist das, was zu lesen ist. Unmissverständlich.
Benedikt Braun beschreibt die Botschaft seiner Arbeit selbst wie folgt: „Der Ausdruck „nach dem Dritten Reichts“ ist ein klares und unmissverständliches Statement gegen den Nationalsozialismus und jede Form von Extremismus. Es soll daran erinnern, dass die Demokratie nicht selbstverständlich ist und ständig verteidigt und gepflegt werden muss, um ihre Werte und Freiheiten zu bewahren.“
Dabei symbolisiert das provisorische Erscheinungsbild der Installation die Fragilität und den ständigen Wandel der Demokratie. Die Holzkonstruktion, die durch das Gewebe schimmert, verstärkt diesen Eindruck und erinnert daran, dass Demokratie stets neu erarbeitet und geschützt werden muss. Das verwendete Mesh-Gewebe, das u. a. bei Bauarbeiten verwendet wird, unterstreicht die Idee eines „Umbaus“ oder einer „Rekonstruktion“, was impliziert, dass unsere gesellschaftlichen Strukturen immer wieder überprüft und verbessert werden müssen, um extremistischen Bedrohungen zu widerstehen.
Die Arbeit – ein Wortspiel – provoziert nicht nur auf der inhaltlichen Ebene der Aussage. Eine weitere Irritation löst sie durch die Verwendung der altdeutschen Schrift aus. Eine Typo, die in der Zeit des Nationalsozialismus eine Renaissance erlebte und damit historisch konnotiert ist. Dasselbe gilt für die Farbkombination von Schwarz, Rot und Weiß. Damit unterstreichen Typo und Farbe die Leserichtung der inhaltlichen Aussage, stehen ihr zugleich aber konträr gegenüber.
Die Verteilung der Worte über alle drei Kästen zwingt die Betrachter:innen, die gesamte Installation in den Blick zu nehmen, um die vollständige Botschaft zu erfassen. Dies erfordert Interaktion und Nachdenken über die Bedeutung der Aussage. Zeitgemäß wird heutzutage gern alles auf kurze, knappe und einfache Botschaften reduziert. Unsere komplexe Welt lässt sich damit aber nicht erklären. „nach dem Dritten Reichts“ provoziert im besten Falle einen Dialog – in welcher Form werden wir sehen.
StadtRaumBoxen # 23: Kristin Wenzel. PLINTHEN

StadtRaumBoxen # 22: Thomas Schmidt. DISPLAY TO ME

Für die StadtRaumBoxen #22 ist der Architekt Thomas Schmidt (herrschmidt architektur) eingeladen. Thomas Schmidt ist nicht nur ein leidenschaftlicher Architekt, er ist von allem auch ein Stadtgestalter und ideengebender Kulturakteur.
Neben seinen mehrfach ausgezeichneten und mit Preisen bedachten Bauten – von Privathäusern über Gebäude mit öffentlicher Nutzung wie dem Kontor oder dem Turmhaus am Wenigemarkt greift Thomas Schmidt auch immer wieder mit temporären Projekten in den urbanen Raum nicht nur architekturgestalterisch, sondern auch durch inhaltliche Angebote ein (Café togo, Strandgut, Kurhaus Simone). Dazu schenkt er u. a. vernachlässigten Orten Beachtung, wertet sie durch minimale oder umfassendere Eingriffe um. Lässt sie zu Räumen der Begegnung, Kommunikation werden; kulturelle Aktionen dienen dabei als verbindendes Element.
Seinen Projekten, die von einem sensiblen Umgang mit Vorgefundenem und dem Mut, radikal neu zu denken, zeugen, liegt stets ein komplexer Ansatz zugrunde, der weit über die eigentliche Bauaufgabe hinausgeht. Der Mensch mit seinen (kulturellen) Bedürfnissen steht dabei im Mittelpunkt. Architektur, Gesellschaft und Kultur stehen dabei in einem sich bedingenden und ergänzenden Verhältnis.
StadtRaumBoxen # 21: Christel Fetzer. DIE MÜHEN DER EBENE

StadtRaumBoxen # 20: Christof Zwiener. NUANCEN

StadtRaumBoxen # 19: Alexander Grüner. 3 + 40 WIDERSCHEINE

StadtRaumBoxen # 18: Cosima Göpfert. NEUE AUFGABEN FÜR ALTEN SÄCKE

StadtRaumBoxen # 17: dma. STADTRAUM IN DER BOX

StadtRaumBoxen # 16: Sven Bergelt. ELSEWHERE, NOWHERE, HERE

10.09.–24.10.2021 | StadtRaumBoxen, Klostergang 4 | Eine Ausstellung des KulturQuartier Erfurt e. V. | Kuratorinnen: Tely Büchner und Susanne Knorr
StadtRaumBoxen #15: SCHAUM. Den Pessimismus organisieren

10.07.–22.08.2021 | StadtRaumBoxen, Klostergang 4 | Eine Ausstellung des KulturQuartier Erfurt e. V.
Mit der Eröffnung der Installation „Den Pessimismus organisieren“ startet mit der 15. Auflage die Ausstellungsreihe in den StadtRaumBoxen in das Jahr 2021.
Schaum ist ein Artist Collective aus Rostock. Die Künstlergruppe verfolgt einen konzeptuellen Ansatz und arbeitet dabei gattungs- und medienübergreifend mit Fotografie, Malerei, Grafik, Objekt, Installation und Performance.
Die Arbeiten von SCHAUM – häufig für den öffentlichen Raum entwickelt – sind nicht nur selbstreflexive Auseinandersetzungen mit Kunst und Kultur, sondern immer auch als Spiegel unserer Gesellschaft zu verstehen; politische, soziale, ökologische oder gesamtgesellschaftliche Phänomene beziehungsweise gleich ganze Diskurse werden in ästhetische Ausdrucksformen übertragen. Sie legen mal mit Humor, mal mit Ironie, mal plakativ, mal subtil den Finger in die Wunde – und nehmen ihn dort nicht so schnell wieder weg.
Die Installation, die aktuell für die StadtRaumBoxen entstanden ist, spielt mit einem Symbol, das in der politischen Ikonografie für Widerstand, Solidarität und Stärke steht – die geballte Faust.
In einer Gesellschaft, in der sich immer ungebremster Wut und Aggression verbal oder physisch entladen, verschiebt sich diese Konnotation der Faust ins Negative und vermag so letztlich ein Grundgefühl wie Angst auszulösen. Die Ambivalenz, die dieser emblematischen Form innewohnt, wird in den drei Boxen zum Thema – überschrieben ist die Installation mit einem Zitat des Geschichtspessimisten Walter Benjamin, das er jedoch als hoffnungsvoll gemeinte Handlungsstrategie formulierte.
KOMMT vorbei!
StadtRaumBoxen #14 – Liz Bachhuber. BRIDGES AND BOWS

Die in Weimar lebende Künstlerin Liz Bachhuber (geb. in Milwaukee, USA) widmet sich zumeist mit ihren orts- und kontextbezogenen Arbeiten dem öffentlichen Raum, wobei sie mit Materialien arbeitet, die sie vor Ort findet und in ungewöhnlichen Kombinationen aufeinander bezieht. Gefundene Materialien und Gegenstände sind für sie als Träger des kollektiven Gedächtnisses wichtig: Werkzeuge des Alltäglichen, Abfall und Fundstücke, die Spuren menschlichen Handelns in sich tragen. Zentral ist der Begriff des Kreislaufs, im Sinne der Wiederverwertung: Nichts geht verloren. Was technisch oder materiell verschlissen ist, kann ein neues Leben als ideelles Objekt gewinnen, beispielsweise als Metapher für das Wechselverhältnis von Mensch und Natur. „Bridges and Bows“ ist der Titel der Installation von Liz Bachhuber, die sie für die #14 der Ausstellungsreihe StadtRaumBoxen geschaffen hat. Die drei Boxen werden verbunden, so wie Brücken und Bögen Räume überspannen und Getrenntes verbinden können. Keine Frage, diese Arbeit ist mit Symbolik behaftet, nicht nur die drei Boxenkörper und der Raum um sie herum werden bildhaft in Beziehung gesetzt.
Auch dieses Mal sind es wieder die selbst geernteten Schösslinge, mit denen Liz Bachhuber eine Grundkonstruktion erschafft. In die überspannenden Bögen beziehungsweise die an die Konstruktion der Boxen angedockten Nester, die mal großzügig und offen, dann wieder verdichtet sind, arbeitet die Künstlerin farbige Fundmaterialien ein, setzt Akzente. Manche von ihnen wirken verspielt – nobilitieren wie Schleifen (eine weitere Bedeutung von Bows) diese Objekte. Neben den verwendeten Materialien ist eine Handschrift erkennbar; mit beiden greift die Künstlerin in räumlich vorgegebene Gefüge ein und gibt diesen einen neuen Ausdruck.
StadtRaumBoxen #13 – Monika Goetz. INTO THE VOID

Für die 13. Auflage der Ausstellungsreihe StadtRaumBoxen wurde Monika Goetz eingeladen eine neue Arbeit für den wohl kleinsten Ausstellungsraum in Erfurt zu konzipieren.
Licht und die Abwesenheit von Licht, Raum an sich sowie der Vorgang des Sehens haben eine große Bedeutung in den zumeist ortsspezifischen Arbeiten von Monika Goetz.
Die in Berlin lebende Künstlerin hat für die StadtRaumBoxen eine weiterzudenkende Netzstruktur entworfen, mit der sie die drei Vitrinen umhüllt – ohne sie zu verdecken. Das Netz mit seinen vielschichtigen Bedeutungen von Verbinden, Schützen, Energiefluss, Konstruktion und vielen anderen ist eine wunderbare Metapher für alles, was im und durch das KulturQuartier passiert.
StadtRaumBoxen #12: Robert Krainhöfner. BEWEGT

16.05.–12.07.2020
Für die StadtRaumBoxen #12 wurde Robert Krainhöfner aus Jena eingeladen.
Mit einem Diplom für Kunst im öffentlichen Raum schloss er sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg ab. Ausgangspunkte für seine Arbeiten sind einfache geometrische Formen, wie Kreise und Rechtecke, welche sich offensichtlich einem Veränderungsprozess unterziehen. So entstehen Metamorphosen sowie Zwischenräume, welche einen Prozess beschreiben. Ein Prinzip, das er bereits in verschiedenen Materialien durchdekliniert hat, ist die Faltung, ein anderes die Drehung. Mit diesen Techniken entwickelt er seine Formen konsequent von der Fläche in den Raum und setzt dabei gezielt die Wirkung von Farben ein.
Für die StadtRaumBoxen #12 entwickelte Robert Krainhöfner eine Arbeit, für die er erneut ein Material, das er bereits vielfach für seine Arbeiten eingesetzt hat, benutzt: Stahl. Dieses Mal sind es lange Stäbe, die durch ihre bloße Verankerung in einer Bodenplatte in der Höhe beweglich sind. Das Raster, das die Grundplatte vorgibt, löst sich nach oben auf, es ergeben sich Überlagerungen der grafischen Struktur der Stahlstäbe, die zum einen bei der Wahrnehmung der Arbeit im Vorübergehen optisch in Bewegung geraten. Durch das Berühren dieser skulpturalen Arbeit – gleich ob durch Wind oder die Interaktion eines Menschen erzeugt – entsteht zudem ein Klang, der leise den umliegenden Raum erfüllt und sich in den Sound der Stadt einfügt.
StadtRaumBoxen #11 – Karo Kollwitz “Kleines Weltbrett”

Für die #11 der StadtRaumBoxen wurde Karo Kollwitz aus Weimar, wo sie an der Bauhaus-Universität lehrt, eingeladen.
Sie ist eine Künstlerin, die unter anderem im öffentlichen Raum arbeitet. Ihre Interventionen zielen auf Kommunikation mit den Betrachter:innen beziehungsweise ihr Interagieren, seien es die Textmaschinen – Hörstationen, die an Lichtmasten in verschiedenen Städten angedockt sind – oder ihre Aktion mit den eigenen Waldschafen und einer Schießbude im Stadtteilpark Weimar West oder die Kabine in Helsinki zwischen Park und Bucht, die als Versteck für Menschen diente,die eins brauchten, und das von der Künstlerin und Bewohnern der Stadt betreut wurde. Für den wohl kleinsten Ausstellungsraum in Erfurt hat sie eine Installation aus Holz geschaffen, der sie den Namen Kleines Weltbrett gibt. Kein geringerer als Friedrich Schiller hat die Formulierung „Bretter, die die Welt bedeuten“ 1803 seinem Gedicht „An die Freunde“ geprägt, seitdem stehen diese Bretter synonym für die Bühne eines Theaters. Karo Kollwitz holt sie aus dem Schauspielhaus heraus, stellt sie schützend über die StadtRaumBoxen. Eine Geste, die auf das aufmerksam macht, was im und mit dem Schauspielhaus passiert, seitdem der Verein KulturQuartier Erfurt diesem Ort wieder Leben einhaucht und ihn als einen Kulturort nutzt – noch in der Probephase, aber das Ziel steht fest. Und so kann aus dem Kleinen Welttheater etwas ganz großes werden.
StadtRaumBoxen #10 – Maria Vill & David Mannstein „cluster of stars“

Für die StadtRaumBoxen #10 wurde mit Maria Vill und David Mannstein in Künstlerduo aus Berlin gefunden, das in Erfurt bereits künstlerische Spuren hinterlassen hat, die eng mit dem KulturQuartier verbunden sind. 2007 gewannen sie den Wettbewerb um die künstlerische Gestaltung eines Denkmals zur Ehrung das Engagements von Willy Brandt und den Erinnerung seines Besuches 1970 in Erfurt. Nach einer aufregenden öffentlichen Debatte wurde die Leuchtschrift auf dem Dach des Hotel Erfurter Hof WILLY KOMM ANS FENSTER abgeändert in WILLY BRANDT ANS FENSTER. Mit einer Performance wanderte das übriggebliebene KOMM zu Radio F.R.E.I. und ist inzwischen ein Markenzeichen des KulturQuartiers geworden. Maria Vill und David Mannstein intervenieren mit ihrer neuen Arbeit für die StadtRaumBoxen im öffentlichen Raum in Erfurt.
StadtRaumBoxen #9 – Johanna Nocke „Offener Raum“

StadtRaumBoxen #8 – Nici Wegener „Ressourcen und Visionen“

StadtRaumBoxen #7 – MichaL Schmidt

StadtRaumBoxen #6 – Christian Claus „home sweet home „


StadtRaumBoxen #5 – Annekatrin Lemke „fabric“

StadtRaumBoxen #4 – Konstantin Bayer „Partikel“

StadtRaumBoxen #3 – Martin Fink „Munroi – shifted architecture“

StadtRaumBoxen #2 – Boxenstop „Rasenbetretenverbotencontest“





